lifesharing #2 - Urban Spirituality


Wenn man von Berlin in eine andere Stadt wie Lissabon kommt, ist man dazu geneigt, vieles zu vergleichen, um sich einen eigenen Blickwinkel zu verschaffen.
Vieles läuft in jeder Großstadt gleich ab, ob sie nun 500.000 Einwohner oder 3,5 Millionen beherbergt. Zum Beispiel Bahnfahren. Bus, Metro, U-bahn, Zug, alles ist ähnlich, denn überall auf der Welt steht jemand mit einer Bierflasche an der Tür, ein anderer legt seine ausgelesene Zeitung auf den Sitz neben sich oder jemand lächelt bei dem Anblick von Wasser, sei es die Spree oder der Tejo, der ins Meer mündet.

Doch überall sind die Menschen auch ein wenig anders. Hier in Lissabon sind alle etwas langsamer, sonniger, besonnener. Am Anfang kann es nerven, mehr Zeit an der Supermarktkasse zu verbringen als für den eigentlichen Einkauf und das Geld müsste auch nicht fünf mal in der Hand sortiert werden, aber spätestens nach einer Woche fragt man sich: Woher kommt meine innere Unruhe? Habe ich nicht alle Zeit der Welt? Warum sollte ich mich beeilen? Die Entschleunigung, sei es durch die Hitze, die in den gepflasterten Straßen brütet oder die entspannten Kassierer im Supermarkt, ist definitiv etwas, das man von hier mitnimmt.

Ähnlich ist es mit dem Gemüt der Menschen. Ab und zu ist es schwierig zu unterscheiden, welcher Nationalität jemand angehört, was aber auch vollkommen egal ist: alle strahlen auf ihre Art und Weise. Stundenlang könnte ich hier Menschen beobachten, die ihre Kleidung und ihr Lächeln mit so viel Selbstbewusstsein tragen, als hätten sie es über Stunden von der Sonne aufgetankt. Die aufgeschlossene, sonnige und vor allem lebensfrohe Art der Menschen schließt man sofort ins Herz und es scheint, als würde jeder einzelne die Momente bewusst erleben. Die Straßenfeste sind voller Lachen und Musik und jeder feiert sein Leben. Oft ertappe ich mich dabei, wie Menschen eine derart leuchtende Ausstrahlung haben und vor sich hin strahlen, dass ich gar nicht wegsehen kann.
Genau das sind die Menschen, von denen wir uns inspirieren lassen sollten, und die gibt es überall auf der Welt: voller Authentizität, Positivität, Dankbarkeit, Entspannung und innerer Ruhe.

Wir alle sollten uns in etwas üben, das die Autorin Ursula Richard in ihrem Buch "Stille in der Stadt" als Urban Spirituality beschreibt - ein Bewusstsein über das, was auf den Straßen passiert, einen Ruhepol innerhalb dessen finden und dem Geschehen achtsam gegenüber treten. Indem wir achtsamer durch den Stadtraum gehen, überlassen wir uns mehr Empfindungen und weniger Wertungen. Zwischen allen Entscheidungen, die wir den Tag über treffen, können wir einige bewusst treffen und uns darüber im Klaren sein, was wir konsumieren und mit wem wir sprechen. Wenn wir das, was wir ursprünglich als nervenaufreibend empfunden haben (zum Beispiel das Warten an der Kasse) in eine Pause für unseren reizüberfluteten Geist umwandeln, können wir viel mehr Momente in der Stadt genießen und uns mehr Situationen bewusst zuwenden.  Vielleicht schafft es dann jeder von uns, wieder "Stadtlust" auszustrahlen und sich an all das zu erinnern, warum wir in der Großstadt leben: Kreativität, Vielfalt und Freiheit auf so vielen Ebenen.
Um sich in "Urban Sprituality" zu üben, muss man keiner Gruppe angehören oder eine bestimmte Glaubensrichtung praktizieren. Öffne die Augen, für das was um Dich herum passiert und nutze die Orte, an denen Du bist, um deinen Horizont zu erweitern und die Augen nicht vor angelernt unangenehmen Dingen zu schließen.

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